Die Bildungsrepublik wird zur Fata Morgana; 19.10.2011

{referenz:teaser_einkaufsvorteile}

Zur Übersicht aller Meldungen für Lehrerinnen und Lehrer:

Die Bildungsrepublik wird zur Fata Morgana

Bund und Länder setzen ihre Bildungsgipfelversprechen nur schleppend um. Gleichzeitig greifen viele Bundesländer bei Kitas, Schulen und Hochschulen zum Rotstift. Die Bildungsrepublik wird so zur Fata Morgana, erklärte Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, mit Blick auf die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Bildungsgipfel-Bilanz, die der Essener Bildungsforscher Prof. Klaus Klemm im Auftrag des DGB erarbeitet hat.
 
Fast drei Jahre nach dem Dresdner Bildungsgipfel ziehen DGB, ver.di und GEW eine ernüchternde Bilanz. Ob bei den zusätzlichen Milliarden für das Bildungswesen, dem Ausbau der Krippenplätze oder dem Senken der Zahl der jungen Menschen ohne Schulabschluss und ohne abgeschlossene Ausbildung die Fortschritte sind kaum messbar.
 
Eine verfehlte Steuerpolitik entzieht den öffentlichen Haushalten die Handlungsspielräume, auch für Investitionen in Bildung. Gerechte Steuerpolitik geht anders, allein eine Vermögensteuer von nur einem Prozent würde dem Staat 20 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen. Bildung hat ihren Preis, aber sie ist diesen Preis auch wert, erklärte Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender.
 
Die öffentlichen Bildungsangebote müssen ausgebaut, ihre Qualität verbessert werden. Es ist Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen endlich gemeinsam verbindlich zu regeln, dass deutlich mehr Geld aus öffentlichen Kassen in öffentliche Bildungseinrichtungen und in alle Bildungsbereiche investiert wird. Sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben das Ziel, der Ausbau der frühkindlichen Bildung, flächendeckende Ganztagsangebote, die soziale Öffnung der Hochschulen und eine deutlich verbesserte Situation in der Weiterbildung die Aufgabe, betonte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne.
 
Die Länder alleine sind mit der Finanzierung eines zukunftsfähigen Bildungswesens schlicht überfordert. Dieser Trend wird sich durch die Schuldenbremse noch verschärfen. Doch ausgerechnet nach der Föderalismus-Reform bleibt der potenteste Geldgeber auf seinen Mitteln sitzen - der Bund. Deshalb muss das Kooperationsverbot abgeschafft werden", sagte Ingrid Sehrbrock.
 

Anhang: Kurzfassung Studie Bildungsgipfel-Bilanz
 
DGB-Studie zur Umsetzung der Ziele des Dresdner Bildungsgipfels von Prof. Klaus Klemm, Essen
 
Vor drei Jahren, im Oktober 2008, verkündeten Bund und Länder auf dem Dresdner Bildungsgipfel gemeinsam bildungspolitische Ziele, die erreicht werden sollten. Damals wurde insbesondere vereinbart:
- eine  Steigerung der Bildungsausgaben auf 10% des Bruttoinlandsprodukts (BIP),
- bis 2013 ein Ausbau der Kindertagesbetreuung für 35% aller unter dreijährigen Kinder,
- eine Halbierung der Quote der Schulabgänger ohne Schulabschluss von damals 8% auf 4%,
- eine Halbierung der Quote junger Erwachsener ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung von damals 17% auf 8,5%,
- eine Erhöhung der Quote der Studienanfänger auf 40% eines Altersjahrgangs,
- eine Steigerung der Weiterbildungsbeteiligungsquote von 43% auf 50% der Erwerbsbevölkerung.
 
Eine Bilanz drei Jahre nach dem Bildungsgipfel in Dresden zeigt:
 
Bildungsfinanzierung: Dem gesetzten Ziel der Steigerung der öffentlich und privat getragenen Bildungsausgaben auf 10% des Bruttoinlandsprodukts scheint Deutschland im Jahr 2009 auf den ersten Blick nahe gekommen zu sein. Berücksichtigt man allerdings die Tatsache, dass die Bezugsgröße, das Bruttoinlandsprodukt, durch die Wirtschaftskrise des Jahres 2009 deutlich geschrumpft ist und dass zugleich im damaligen Konjunkturpaket II Bildungsausgaben zeitlich befristet gesteigert wurden, so bleibt von 2008 nach 2009 nur noch eine Steigerung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 8,6 auf 8,7%. Das 10%-Ziel bleibt in weiter Ferne.
 
Krippenausbau: Beim Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen ist Deutschland im Betreuungsjahr 2009/10 mit einem Platzangebot von 23% noch weit hinter dem für 2013 angesteuertem Ziel von 35% zurück. Insgesamt fehlen noch 273.000 Plätze. Die Deckung des durch den Ausbau entstehenden Personalbedarfs ist nicht in Sicht. Allein bis 2013 werden bundesweit in den Kindertageseinrichtungen etwa 8.800 und in der Kindertagespflege etwa 32.400 Personen fehlen. 
 
Senkung der Zahl der jungen Menschen ohne Schulabschluss: Die angestrebte Halbierung der Quote der Absolventen allgemein bildender Schulen ohne Hauptschulabschluss ist nicht einmal ansatzweise erkennbar. In den Jahren von 2000 bis 2009 ist diese Quote um gerade einmal 2,4 Prozentpunkte gesunken von 9,4 auf 7,0 Prozent.
 
Senkung der Zahl der jungen Menschen ohne Berufsabschluss: Auch die gleichfalls angestrebte Halbierung der Quote junger Erwachsener, die keinen Berufsabschluss erwerben, ist nicht in Sicht: Im Jahr 2010 liegt diese Quote nach wie vor bei 17,2%.
 
Anhebung der Zahl der Studienanfänger: Das Ziel der Anhebung der Quote der Studienanfänger auf 40% wurde inzwischen mit 46,0% (2010) übertroffen: 2010 nahmen 442.600 ein Studium auf. Diese Entwicklung macht deutlich, dass die Ausbauplanung der Hochschulen, wie sie im Hochschulpakt vereinbart wurde, die Nachfrage nach Studienplätzen erheblich unterschätzt.
 
Höhere Weiterbildungsquote: Ob die Steigerung der Quote der Erwerbstätigen, die an Weiterbildung teilnehmen,  von 43% auf 50% tatsächlich erfolgt, lässt sich mangels einer statistischen Grundlage, die auch den Zeitraum nach 2007 einbeziehen würde, nicht beurteilen.
 
Starke Chancenungleichheit zwischen jungen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte
 
Analysiert man die im Dresdner Gipfel heraus gestellten Handlungsfelder mit Blick auf migrationsspezifische Ausprägungen, so stößt man auf ein schwer erträgliches Maß von Ungleichheit:
 
- 2010 hatten 27,7% der unter dreijährigen Kinder ohne Migrationshintergrund einen Krippenplatz; bei den Kindern mit Migrationsgeschichte waren dies nur 12,2%.
- Während 6,5% der jungen Deutschen 2009 die Schulen ohne einen Hauptschulabschluss verließen, waren dies bei ausländischen Jugendlichen 14,0% (diese Daten beziehen sich auf die Staatsbürgerschaft, da die Migrationsge-schichte für diese Gruppe bisher nicht erhoben wurde).
- Auch bei den jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss findet sich dieser Chancenunterschied: Bei denen ohne Migrationshintergrund haben 12,9% keinen Berufsabschluss, bei denen mit einer Migrationsgeschichte sind dies 30,7% (2008).

Die gesamte Studie finden Sie unter http://www.dgb.de/-/dYa

Quelle: Pressemeldung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), 19.10.2011


mehr zum Thema:
Startseite | Sitemap | Publikationen | Newsletter | Kontakt | Impressum | Datenschutz
www.lehrpersonal.de © 2024